Bürgerdialoge (in echt)

Grüner WEB-LOG zur IBA/igs 2013 in Hamburg-Wilhelmsburg

Dieser Offene Brief hat einige Wellen geschlagen. Wir möchten hier seine Entstehungsgeschichte und Hintergründe darstellen. Wir schreiben, wovon wir selbst mittlerweile glauben, dass wir es besser hätten machen können – wir schreiben aber auch, wovon wir weiterhin glauben, dass wir es denken und sagen dürfen.

Die Vorgeschichte:
Im gesamten Stadtteil werden ökologisch wertvolle Flächen und öffentliches Grün in rasender Geschwindigkeit zerstört, entwertet, weggezäunt, vernichtet, privatisiert; Freiräume und öffentliche Flächen verschwinden – häufig ersatzlos.
Der Stadtteil Wilhelmsburg ist nun offiziell „angesagt“. Das wirkt: Eine Gentrifizierung vollzieht sich rasend schnell. Die Mieten steigen, AltmieterInnen werden in andere Stadtteile verdrängt, die Fassaden werden poliert für die Projekte Internationale Bauausstellung (IBA 2013) und Internationale Gartenschau (igs 2013). Sie setzen über die Köpfe der BewohnerInnen hinweg das Leitbild der „Wachsenden Stadt“ durch.

In diese Situation kam eine Bauwagengruppe in den Stadtteil und zog umher, um am Ende ihrer Suche eine der letzten von den aktuellen Planungen nicht berührten Grünflächen zu besetzen. Als Vorhaltefläche für die Hafenquerspange vorgesehen, ist sie offiziell als „Industriefläche“ deklariert. Leider benutzt auch Zomia diesen behördlichen Titel „Industriefläche“ und verwischt damit, dass der Platz ein wichtiger Grünstreifen nahe des Reiherstiegviertels ist. Das stieß bei uns auf Skepsis.

Die verschiedenen AkteurInnen des „Sprungs über die Elbe“ nehmen bereits in unerträglichem Maß Grünflächen weg bzw. degradieren sie ökologisch und zerstören Lebensqualität. Dagegen wendet Baum und Busch sich schon seit geraumer Zeit mit verschiedensten Aktionen. Eben diese Fläche wollten wir, im Verbund mit einem weiteren Ort am Ernst-August-Kanal, für eine Umwidmung zum Naturschutzgebiet vorschlagen.

Nun kam die Bauwagengruppe hinzu und mischte auf ihre Art im Geschäft um Orte und Plätze mit.
Klar haben die AkteurInnen der „Wachsenden Stadt“, des „Sprungs über die Elbe“ und von IBA und igs eine um Größenordnungen stärkere schädliche Wirkung. Gegen ihre Machtentfaltung hat Baum und Busch sich immer wieder – und nicht nur mit Verlautbarungen – zu stellen versucht, und wir werden das weiter tun. Gleichzeitig hätten wir jedoch von einer Wagenplatzgruppe, die sich in die oben geschilderte Situation hineinbegibt, mehr Sensibilität sowohl bei der Flächenauswahl als auch gegenüber den politischen Prozessen im Stadtteil erwartet.

Auf unsere Initiative hin kamen wir zunächst mit Zomia gut ins Gespräch, sie zeigten sich offen und entgegenkommend. So wurden in mehreren Treffen gemeinsame Maßnahmen diskutiert, um die ökologischen Qualitäten des Platzes möglichst zu erhalten. In einem Presseerklärungsentwurf rühmte sich Zomia dann auch alsbald, „gemeinsame Sache“ mit „den Naturschützern“ zu machen, es schien, als würden sie die Sache sogar höher hängen, als wir selbst.

Die beschlossenen Maßnahmen wurden dann aber von Zomia unvollständig oder gar nicht umgesetzt oder waren nach wenigen Tagen (von wem auch immer) wieder beseitigt. Auf der sensiblen Fläche (Brutzeit, trittempfindlicher Pflanzenwuchs) wurde von Zomia dagegen eine 1. Mai-Feier abgehalten, laut, mit viel Publikum und über mehrere Tage. Weitere regelmäßige Veranstaltungen wurden ganz selbstverständlich geplant. Da brütete dann kein Vogel mehr. Plötzlich war es auch nicht mehr möglich, mit Zomia zu sprechen. Wir hatten den Eindruck, dass wir mit unserem Öko-Anliegen nur noch nerven.

In diesem Moment reagierten wir emotional und schnell. Zu schnell, wie wir im Nachhinein zugeben. Die Form des Offenen Briefs war eine Wahl, die wir noch mal hätten überdenken sollen. Doch an unserer inhaltlichen Position ändert diese Erkenntnis nur wenig.

Wie ging es also weiter?
In Anbetracht der professionellen PR-Arbeit von Zomia und der veröffentlichten Meinung pro (einstweiligem) Verbleib des Wagenplatzes auf der aktuellen Fläche seitens Wirtschafts- und Baubehörde, IBA und Parteien (bis hin zur CDU) wollten wir vor dem Hintergrund unserer frischen Erfahrungen unsere Position klarmachen. Wir gaben den Offenen Brief heraus. Mit Panne: Ein Korrekturrücklauf ging im virtuellen Raum verloren und eine vorläufige Version des Briefs wurde veröffentlicht (diese ist auf der Zomia-Seite bis heute zu sehen, obwohl es die aktuellere gibt). Die Korrektur dieses Schreibens haben wir noch mal gemacht, die fälschlich veröffentlichte Version zurückgezogen und durch die geänderte Version ersetzt (sie erschien letztlich in einem einzigen Anzeigenblatt in Wilhelmsburg).

Auch diese letzte Fassung hat offensichtlich missverständliche Stellen, da haben wir in der Tast nicht sauber genug formuliert bzw. uns zu Polemik hinreißen lassen. Diese Missverständnisse sind wir gern bereit, hier auszuräumen. (Wir gehen davon aus, dass es um Missverstehen geht – sonst müssten wir nämlich denken, dass uns böswillig und mit voller Absicht Dinge unterstellt werden, die da definitiv nicht sind.)

Also:
? Wir unterstützen keineswegs die Vertreibungspolitik des jetzigen Senats bzw. des Bezirks, egal an welcher Stelle.
? Wir sind für eine Abschaffung des diskriminierenden Wagengesetzes.
? Wir sind für eine Platzsuche, die Wilhelmsburg mit einschließt.
? Wir kritisieren den jetzigen Standort von Zomia in Wilhelmsburg. Wir halten DIESEN Ort in Wilhelmsburg für ungeeignet, weil er eine der letzten belassenen Naturflächen in Nähe des Reiherstiegviertels darstellt.
? Für uns bedeutet “Recht auf Stadt” nicht, dass der öffentliche Raum denjenigen zufällt, die am lautesten schreien oder die größte PR-Wirkung entfalten oder sich als moralische Instanz darstellen.
? Wir sind gegen eine Privatisierung von öffentlichen Räumen – egal, aus welcher Richtung sie kommt. Bei der Besetzung der bisherigen Flächen von Zomia wurden weder Eigentums- noch Herrschaftsverhältnisse in Frage gestellt, sondern lediglich private Interessen gegen BürgerInneninteressen durchgesetzt. Den wirklichen Konflikten (mit den lokalen Playern wie IBA und igs) ging Zomia aus dem Weg und zeigte sich auch bei Aktionen aus dem Stadtteil nicht solidarisch. Dafür beruft sich Zomia aber auf eine Zusage der BSU, einer Behörde, die aus unserer Sicht die herrschende Senatspolitik wo es geht durchsetzt und den Stadtteil zum Disneyland macht.

Nichtsdestotrotz haben wir immer gesagt, und das gilt nach wie vor, dass wir uns nicht gegen Bauwagenplätze in Wilhelmsburg oder woanders aussprechen wollen. Dass unser Brief nun als Argumentationshilfe für die Schreiber-Politik herhalten muss, können auch wir nur als mies empfinden, machen aber darauf aufmerksam, dass wir für das strategische Verhalten von PolitikerInnen nicht verantwortlich sind.

Ausdrücklich wollten wir niemals – und haben wir niemals geglaubt, für irgendwen anderes zu sprechen, als für uns selbst.

Wenn wir uns etwas wünschen dürften? Nun, dann vielleicht, dass Zomia und seine UnterstützerInnen sich mit dem Kampf verschiedenster Wilhelmsburg-BewohnerInnen gegen die Machenschaften von IBA, igs und Senat genauso solidarisch zeigen mögen, wie sie Solidarität für ihr eigenes Anliegen einfordern.

Baum und Busch Wilhelmsburg im Juni 2011


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Catogories: Allgemein

5 Kommentare

  1. anwohner sagt:

    Schön und gut, eine Selbstkritik, die ich respektabel finde. Aber trotzdem: ihr werft dem Bauwagenplatz vor, dass sie sich gegen “Bürgerinteressen” stellen, lediglich ihr privates Ding aus Spaß an der Freude durchziehen wollen und sich nicht an “die” Wilhelmsburger anpassen wollen. Das ist alles sehr kritikabel, auf verschiedensten Ebenen.

    Diese Stellungnahme ist sympathisch, ich halte euch nicht mehr für einen Haufen von spießigen Egozentriker/innen, wie ich das nach Lesen des Briefs getan habe. Aber ein mehr als fauler Nachgeschmack bleibt.

    Eure Interessen und die von Zomia schließen sich nicht nur nicht aus, sondern sind eigentlich die gleichen. Vielleicht bekommt ihr das ja hin gemeinsam mit den Bauwagenbewohner/innen auf einen (grünen) Zweig zu kommen. Das setzt natürlich auf beiden Seiten (!) die Bereitschaft dazu voraus.

    Ein Anwohner

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